Page 35 - BDB Nachrichten 03-2023
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STANDPUNKT
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 schen Strommixes bereits bei 420 g CO2e/kWh [6]. So wird verständlich, dass sich die Befürworter:innen von Massivbau- weisen für einen möglichst langen Betrachtungszeitraum einsetzen. Ist der Betrachtungszeitraum ausreichend lang, gilt jedes Haus als klimaneutral oder bei einem rechnerischen Überschuss als klimapositiv. Es wird schnell deutlich, dass die- se Art von Klimapositivität die Probleme nicht lösen kann. Das spricht keinesfalls gegen den Einsatz von PV zur Energiege- winnung, aber gegen die Suggestion, wir würden dem Klima mit klimapositiven Neubauten einen Gefallen tun.
Vor dem Hintergrund der zweifelhaften CO2e-Gutschriften macht eine absolute Reduktion der CO2e-Werte durch die Errichtung, den Unterhalt und die spätere Entsorgung von Gebäuden Sinn. Dass Beton hierbei aufgrund seines Zement- anteils große Emissionen erzeugt, ist bekannt: 8 % [7] der weltweiten Emissionen sind auf die Betonproduktion zurück- zuführen. Da diese zu ca. zwei Dritteln stofflich bedingt sind, wird durch eine Abkehr von fossilen Energieträgern eine CO2- Reduktion nur unzureichend stattfinden.
Auswirkungen von Baustoffen auf die Umwelt werden mithil- fe von umfangreichen Daten beschrieben. Sie werden in sog. Ökobilanzen nach DIN EN 15804 erhoben. Auch hier ist ein ver- tiefter Blick zum Verständnis erforderlich.
Ökobilanzen beurteilen die Umweltwirkungen von Produkten im Verlauf des Lebenszyklus. Sie tun dies für fünf unterschied- liche Wirkungspfade, d. h. mögliche Umweltschäden. Das sog. Treibhauspotenzial ist einer davon. Es entstehen Umweltwir- kungen sowohl bei der Herstellung und Errichtung (Phase A) als auch bei der Nutzung (Phase B) durch Instandhaltungs- oder Instandsetzungsaufwendungen und in der Entsorgungs- phase (Phase C). Darüber hinaus wird die Phase D (potenzielle Gutschriften) als ergänzende Information außerhalb der Sys- temgrenzen ausgewiesen. Die Anrechnung dieser Phase ist aktuell in der Diskussion, weil sie v.a. den Baustoff Holz rechne- risch stark begünstigt. Grundsätzlich gibt der Werkstoff Holz den in seiner Herstellungsphase (dem Baumwachstum) ge- bundenen Kohlenstoff in der Entsorgungsphase wieder an die Umwelt ab. Bei der Verrottung über einen langen Zeitraum, bei der Verbrennung sehr schnell. Aufgrund der notwendigen zusätzlichen Aufwendungen für Waldpflege, Holzernte und Holzverarbeitung verbleibt somit eine kleine CO2-Belastung über den gesamten Lebenszyklus (Beispiel Fichte: 32,442 kg CO2e/m3 Holz [8]). Holz ist nicht gänzlich klimaneutral, aber deutlich weniger klimaschädlich als z.B. Betonwerkstoffe. Bei der Verbrennung erzeugt Holz neben der Freisetzung von CO2 auch Energie. Diese Energie kann einen anderen Energieträger substituieren. Ähnlich zur Gutschrift bei PV-Anlagen erhält Holz innerhalb der Ökobilanz eine Gutschrift in der Phase D von derzeit 368,5 kg CO2e/m3 [8].
Holz gilt unter Einberechnung dieser Gutschrift als klima- positiv. Die Einberechnung dieser Gutschrift wird zunehmend kritisch gesehen. Im Zertifizierungssystem der DGNB war sie
bisher vorgesehen. Dies wird sich wie bereits im System des Bundes (BNB) sowie im für die Förderung vorgeschriebenen QNG-Siegel umgesetzten Nichtanrechnen der Phase D än- dern. Der große Rechenvorteil geht folglich verloren.
Dennoch bleibt der Vorteil der CO2-Speicherfähigkeit von Holz in der Wachstumsphase bestehen. Wenn nun dieser gebunde- ne Kohlenstoff langfristig in Gebäuden durch die Nutzung als Baumaterial eingelagert wird, kann die CO2-Senke möglichst lange aufrechterhalten bleiben. Die mehrstufige Kaskaden- nutzung des Materials kann den Effekt verstärken. Zudem muss die Neupflanzung von Bäumen an der Stelle der gefäll- ten stattfinden und eine ausreichend dauerhafte Holzverfüg- barkeit gewährleistet sein.
In dem durch das Umweltbundesamt veröffentlichten Bericht „Potenziale zum Bauen mit Holz“ [4] wird deutlich, dass die Frage der Holzverfügbarkeit vom weiteren Umgang mit den Wäldern abhängt. Wenn wir den Wald nicht nur als Baustoff- lieferant und CO2-Bindungssystem betrachten, sondern die weiteren vielfältigen lebenswichtigen Ökosystemleistungen mit berücksichtigen (z. B. Wasserhaushalt, Kühleffekte, Arten- schutz, ...), scheint nur das dort aufgezeigte Naturschutzsze- nario denkbar. Dabei werden wir weiterhin auf den Import von Holz, insbesondere Nadelholz, angewiesen sein. In welcher Höhe bei vorgegebener Steigerung der Holzbauquote Holz zu importieren wäre, kann aus den bisherigen Forschungsergeb- nissen nach Auffassung des Umweltbundesamts nicht abge- lesen werden. Eine Ausweitung von Waldflächen in Deutsch- land wird dort als unrealistisch eingeschätzt.
Nach der WWF-Studie „Alles aus Holz„ aus Juli 2022 ist Deutschland seit langen Jahren Netto-Importeur von Holz (in 2021: Produktion von 76 Mio. m3 Rundholzäquivalenten im Gegensatz zu einem Verbrauch von 104 Mio. m3 [9]). Würden global alle Länder den gleichen Holzverbrauch aufweisen wie Deutschland, wäre das global abgeschätzte Verfügbarkeits- potenzial um den Faktor drei überschritten.
Dies liegt auch an den vielfältigen sehr kurzfristigen Nutzun- gen von Holz: sei es als Energieträger (Deutschland 2016: 26 Mio. m3 von 76 Mio. m3) oder als Produkt in der Papier- und Verpackungsindustrie (2016: 6 Mio. m3 von 76 Mio. m3) [10].
Bild 2 CO2-Kompensationsmaßnahmen durch PV-Stromerzeugung
  03 | 2023 - BDB.Nachrichten - Landesverband Nordrhein-Westfalen





















































































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