Page 34 - BDB Nachrichten 03-2023
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STANDPUNKT
Mit welchem Material sollen wir bauen?
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Bild 1 Lebenszyklus von Baustoffen
Aktuell steht diese Frage stark im Fokus des architektonischen Diskurses. Für viele ist die Antwort sehr einfach: mit Holz. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff. Mit „nachwachsend“ wird gerne eine nahezu unbegrenzte Verfügbarkeit assozi- iert. Zudem entnehmen Bäume im Wachstumsprozess der Atmosphäre CO2 und binden den Kohlenstoff in ihrer Biomas- se. Was kann es also Besseres geben, als mit Holz zu bauen? Die CO2-Speicherfähigkeit nährt das Narrativ und führt zu der Schlussfolgerung, dass wir auf unserem allgemeinen gesell- schaftlichen Wachstumspfad mit Holz gut aufgestellt sind und uns aus der Krise „herausbauen“ können – Klimarettung durch Ausweitung der Bautätigkeit! Tolle Story für die Bau- branche. Leider so nicht richtig. Das ist auch für die Verfassen- den als ausgewiesene und überzeugte Holzbauer mit langer und oft prämierter Holzbauerfahrung eine zu akzeptierende Erkenntnis.
Wie immer stellen sich bei komplexen Themenstellungen stark vereinfachte Lösungsansätze als kritisch heraus. Auch wenn der Wunsch nach einfachen Wahrheiten verständlich ist, kann nur ein systemischer Denkansatz der Größe der Prob- leme gerecht werden. Weder Digitalisierung, BIM, modulares Bauen, einfaches Bauen noch Bauen mit Holz stellen einen alleinigen Lösungsansatz dar. Das alles können nur Baustei- ne oder Werkzeuge im notwendigen Transformationsprozess sein.
Das Bauen ist für einen erheblichen Anteil der Klimaverände- rung verantwortlich. Ob dies weltweit knapp 40 % [1] oder bei anderer Emissionszuweisung sogar über 50 % [2] sind, scheint nicht vorrangig zu sein. Es ist in jedem Fall sehr viel.
Die hierfür verantwortlichen und vielfältigen Emissionen, die auf den Leitindikator CO2 als sog. CO2-Äquivalente (CO2e) ag- gregiert werden, resultieren aus allen Lebenszyklusphasen der Gebäude (Bild 1). Sie entstehen bei der Herstellung, der Nutzung sowie im Verlauf des späteren Entsorgungsprozes- ses. Bisher stand fast ausnahmslos die Nutzungsphase und damit die Frage, mit welcher Energie wir die Gebäude betrei- ben, im Fokus.
Durch die stetige Reduktion der energetischen Aufwendun- gen in der Nutzungsphase, die damit eine CO2-Emissions- reduktion bewirken, kommt der Herstellungs- und Entsor- gungsphase eines Gebäudes eine immer größere Bedeutung zu – und folglich der Frage, aus welchem Material wir bauen sollen.
Grenzwerte von CO2e in den Bereichen der Herstellung und Entsorgung sind bis heute gesetzlich nicht geregelt. Aktuell spielt die Frage des sog. CO2-Fußabdrucks eine Rolle in den staatlichen Förderprogrammen mit QNG-Siegel. Obwohl die notwendigen Daten zu vielen Baumaterialien bereits seit vielen Jahren frei zugänglich sind (www.oekobaudat. de), wurden sie durch die Planenden bisher kaum genutzt.
Was also ist Klimaneutralität und wie können Gebäude einen solchen Status erreichen? Zunächst muss festgestellt werden, dass bei der Errichtung von Gebäuden CO2e-Emissionen ent- stehen – unabhängig von der Materialwahl. Der Versuch, dies mit dem Einsatz von Holz so weit wie möglich zu reduzieren, führt dennoch zu Emissionen. Dies konnte in einem durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Forschungsprojekt (AZ 31718-25) im Jahr 2017 nachgewiesen werden.
Die Lösung zur Neutralität liegt in der Energieversorgung durch Photovoltaik. Natürlich entnehmen PV-Module der Um- welt kein CO2. Im Gegenteil, auch Strom aus PV hat durch die notwendigen Herstellungsaufwendungen der Module einen CO2-Fußabdruck. 2017 lag dieser bei ca. 75 g CO2e/kWh. Dieser Wert ist deutlich geringer als die CO2e-Emissionen des deut- schen Strommixes (2017: ca. 617 g CO2/kWh [5]). Die Differenz der CO2-Emissionen wird den Gebäuden, über die angesetzte Nutzungszeit für jede durch PV erzeugte kWh Energie, gutge- schrieben (Bild 2).
Dabei wird nicht berücksichtigt, dass sich die Differenz (hof- fentlich) in den kommenden Jahren deutlich verringert, weil die Energieproduktion auf regenerative Energien umgestellt wird. Im Jahr 2021 lag das Treibhausgaspotenzial des deut-
03 | 2023 - BDB.Nachrichten - Landesverband Nordrhein-Westfalen
  Quelle: ACMS Architekten GmbH
 



















































































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